
Die Hobbits sind ein unauffälliges, aber sehr altes Volk, das früher zahlreicher war als heute; denn sie lieben Frieden und Stille und einen gut bestellten Boden: eine wohlgeordnete und wohlbewirtschaftete ländliche Gegend war ihr bevorzugter Aufenthaltsort. Kompliziertere Maschinen als einen Schmiedeblasebalg, eine Wassermühle oder einen Handwebstuhl verstehen und verstanden oder mochten sie auch nicht, obwohl sie mit Werkzeugen sehr geschickt umgingen.
Selbst in den alten Zeiten empfanden sie in der Regel Scheu vor dem „Großen Volk“, wie sie uns nennen, und heute meiden sie uns voll Schrecken und sind nur noch schwer zu finden. Sie haben ein feines Gehör und scharfe Augen, und obwohl sie dazu neigen, Fett anzusetzen und sich nicht unnötigerweise zu beeilen, sind sie dennoch flink und behende in ihren Bewegungen. Von Anfang an beherrschten sie die Kunst, rasch und geräuschlos zu verschwinden, wenn große Leute, denen sie nicht begegnen wollen, dahertrapsen.
Ihre Fähigkeit, sich zu verflüchtigen, beruht auf einer durch Vererbung und Übung und innige Erdverbundenheit so vollkommenen Geschicklichkeit, daß sie für größere und plumpere Rassen unnachahmlich ist. Denn sie sind kleine Leute, kleiner noch als Zwerge: das heißt, weniger stämmig und kräftig, obwohl sie es in der Länge eigentlich mit ihnen aufnehmen können. Ihre Größe ist unterschiedlich und schwankt zwischen zwei und vier Fuß nach unseren Maßen.
Was die Hobbits aus dem Auenland anlangt, so waren sie, solange Frieden und Wohlstand bei ihnen herrschten, ein fröhliches Volk. Sie kleideten sich in leuchtenden Farben und hatten eine besondere Vorliebe für Gelb und Grün; aber Schuhe trugen sie selten, denn ihre Füße hatten zähe, lederartige Sohlen und waren mit dichtem, krausem Haar bedeckt, ähnlich ihrem Haupthaar, das gewöhnlich braun war. Ihre Gesichter waren in der Regel eher gutmütig als schön, breit, mit glänzenden Augen, roten Wangen und Mündern, die immer zum Lachen und Essen und Trinken bereit waren. Und sie lachten und aßen und tranken denn auch oft und herzhaft, waren jederzeit zum Scherzen aufgelegt und hatten gern sechs Mahlzeiten täglich (wenn sie sie bekommen konnten). Sie waren gastfrei und hatten ihre Freude an Festen und an Geschenken, die sie großzügig machten und immer gern annahmen. Früher sprachen sie die Sprache der Menschen auf ihre eigene Weise und hatten ziemlich dieselben Vorlieben und Abneigungen wie die Menschen.
Der Ursprung der Hobbits reicht weit zurück in die Altvorderenzeit, die jetzt vergangen und vergessen ist. Es ist klar, daß die Hobbits schon viele lange Jahre friedlich in Mittelerde gelebt hatten, ehe ein anderes Volk sie auch nur bemerkte. Aber in Bilbos und Frodos, seines Erben, Tagen wurden sie plötzlich, ohne daß sie es selber wollten, sowohl wichtig als auch berühmt und störten die Pläne der Weisen und der Großen.
Ursprünglich hatten alle Hobbits in Erdhöhlen gelebt, oder glaubten es wenigstens, und in solchen Behausungen fühlten sie sich noch immer am heimischsten; aber im Laufe der Zeit mußten sie sich mit anderen Unterkünften abfinden. In Bilbos Tagen war es im Auenland die Regel, daß nur die reichsten und die ärmsten Hobbits an der alten Sitte festhielten. Die ärmsten wohnten nach wie vor in höchst primitiven Höhlen, geradezu in Löchern mit nur einem oder gar keinem Fenster; die reichsten dagegen bauten auch jetzt noch in der alten Form, nur in behaglicherer Ausführung als die anspruchslosen Unterschlüpfe von ehedem.
Die Häuser und Höhlen der Hobbits im Auenland waren oft groß und von großen Familien bewohnt. Zuweilen bewohnten mehrere Generationen gleichzeitig in Frieden und (verhältnismäßiger) Eintracht den angestammten und vielstolligen Familienbesitz. Überhaupt waren alle Hobbits sehr sippenbewußt und rechneten mit großer Sorgfalt ihre sämtlichen Verwandten zusammen. Sie zeichneten lange und ausführliche Stammbäume mit unzähligen Verzweigungen.
Aus „Der Herr der Ringe – Die Gefährten“ stark gekürzt aus „Einführung – Über Hobbits“, J.R.R. Tolkien; © by Klett Cotta